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Im Jahr 2010 wurden die Epithaphien in unserer Turmschatzkammer zuletzt restauriert und die
Kirchengemeinde feierte dies in einem Gottesdienst. Pfarrer Benjamin Lindner schenkte uns folgende
Predigt.
Predigt anlässlich der Restauration der Epitaphien (1 Joh 5,4b)
Waldmannshofen 26.09.2010
Prolog
Liebe Gemeinde.
Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat (1 Joh 5,4b).
Die Zeilen klingen durch den Gottesdienstraum. Der Gottesdienst hat begonnen. Die Vier hoch oben hören die Worte.
Ihre Gedanken jedoch sind woanders. Bei ihren vier Gesellen unten. Die pflegen nicht viel zu sagen. Aber die Vier, hoch
oben über den Dingen, sie haben die stummen Gesellen vermisst.
Aber das ist jetzt vorbei.
"War ja auch viel Arbeit", sagt der Löwe. "Die Steine“ - Es sind Epitaphien", wendet der Stier ein - "nun, dann eben die
Epitaphien hier hinausbefördern. Sie zu restaurieren. Sie wieder herzubringen."
"Ja", fällt ihm der Engel ins Wort. "und dann dieser Lärm die ganze Zeit. Vor allem dieses Trocknungsgebläse".
"Sei doch froh, da war wenigstens mal was los hier", sagt der Stier.
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.
Ob es die Vier hoch oben noch preisgeben? Aber sie sollen es doch wissen. Die Vier sind nicht die, die sie vorgeben zu
sein. Es sind nicht Adler, Stier, Löwe und Engel.
(Was wollten die auch beieinander an der Decke einer Turmschatzkammer).
Es sind eigentlich vier Bekannte da oben an der Decke der Turmschatzkammer: "In dem Neuen stehn Matthäus, Markus,
Lukas und Johann."
Es sind die vier Evangelisten. Getarnt sozusagen:
Matthäus - der Engel
Markus - der Löwe
Lukas - der Stier
Johannes - der Adler
Nur damit sie Bescheid wissen, falls die Vier es nicht selbst sagen.
Epitaphien - Was tun die hier?
"Ist doch schön geworden!", sagt der Adler. "Noch schöner als vorher."
"Naja, aber diese Kante war vorher nicht. Und was das alles gekostet hat."
"Löwe, du bist und bleibst einfach ein alter Grantler. Man kann nicht immer nur das Nötigste schreiben - ich meine Tun."
Der Stier schaut den Löwen an. Dem scheint allerdings schon diese Diskussion zu viel.
"Aber es ist doch gut, dass sie jetzt wieder da sind." Der Adler versucht zu vermitteln. "Gefehlt haben sie doch uns allen,
oder nicht? Was ist denn diese Kammer ohne unsere vier stummen Gesellen?"
"Und man musste sie schließlich restaurieren." Der Stier legt nach. „Stell dir vor, was das Salz sonst angerichtet hätte!"
"Ja, ist ja schon gut. Ich meine ja nur. Der Pfarrer könnte auch mal eine Predigt über Geben ist seliger als Nehmen
halten, anlässlich der Restauration."
"Also die Herren Stier, Löwe und Adler! Das führt doch zu nichts!" Der bisher eher schweigsame Engel blickt in die
Runde.
"Ob es jetzt schöner ist als vorher oder nicht.
Geschmackssache. Oder nur Gewöhnung? Und gespendet wurde auch schon.
Mir geht eine ganz andere Frage im Kopf herum. Was sollen diese Steine eigentlich hier bei uns? Warum stehen sie hier
in der Kirche?"
"In einem Nebenraum der Kirche", wendet der Stier ein. "Also dann in einem Nebenraum. Aber trotzdem: Was tun die
hier?"
Epitaphien - unverrückbar
"Was ist denn das für eine Frage", meint der Löwe. "Das solltest du doch wissen. Hier sind Menschen begraben. Tote.
Hauptsächlich von Rosenbergs. Gestorben zwischen 1400 und 1700."
"Eine von den Rosenbergs war übrigens mit einem Geyer aus Reinsbronn verheiratet. Wer weiß vielleicht, gibt‘s ja
irgendwann noch mehr Verbindungen da rüber, jetzt wo man sieh manchmal im Gottesdienst trifft". Der Adler sieht in die
Runde.
"Woher wisst ihr das nur alles." fragt der Stier.
"Mündliche Überlieferung"
"Und schau mal auf die Steine, mein lieber Lukas."
"Aber darum geht es mir doch nicht", wendet der Engel ein. "Die Frage ist doch mehr, warum Grabsteine am Grab
stehen.
Warum sie als Erinnerung aufgestellt werden. Ich habe mal gehört, dass an den Gräbern der Verstorbenen zuerst
Holzkreuze stehen. Warum lässt man die nicht stehen? Man könnte sie auch viel leichter restaurieren, als solche Steine".
"Eben", sagt der Stier. "Ich denke das ist es. Man soll sie gar nicht so ohne weiteres verrücken können. Sie sollen fest
stehen. Und sie sollen die Zeiten überdauern."
Plötzlich wird es still in der Turmschatzkammer. Schritte sind zu hören. Sie kommen näher. Biegen dann aber ab. Die
stufen hinauf. Eine Tür klappert. Die Orgel hört auf zu spielen.
"Wir beschäftigen uns heute mit dein Wochenspruch für die neue Woche. Wir finden ihn in den Johannesbriefen.
Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat", klingt es durch den Kirchenraum.
"Die Predigt. Sie hat angefangen. Schöner Wochenspruch! Könnte von mir sein." Der Adler macht eine gönnerhafte
Geste. Die anderen verdrehen die Augen. "Musst du immer…"
"Halt! Mir kommt da gerade was. Sagt nicht dieser Wochenspruch etwas über den Sinn der Steine, die hier so
unverrückbar stehen? Seit langen Zeiten."
"Wie meinst du das Lukas?"
Epitaphien - ein Hauch von Ewigkeit
"Also passt auf!"
"Was sollen wir wohl sonst tun", sagt der Löwe.
"Ach jetzt lass‘ doch mal die Sticheleien. Was willst du sagen Lukas?"
"Also ich meine es ist so: Wie alt sind diese Steine hier?"
Die anderen überlegen. "Naja bearbeitet hat man sie wohl zwischen 1400 und 1700", sagt der Löwe.
"Ja na klar Markus, aber hast du schon mal überlegt, wie alt der Rohstoff ist? Da können wir nicht mithalten. Weder als
Schreiber der Evangelien, noch als Bilder hier oben. So alt sind wir nicht“, sagt der Adler etwas aufgeregt. "Diese Steine
sind uralt!"
"Du hast ja Recht Johannes. Aber bearbeitet hat man sie zwischen 1400 und 1700. Je nachdem, wann sie gebraucht
wurden."
"Und wiederum", wirft der Engel ein, "werden sie noch uralt werden. Vor allem, nachdem sie jetzt restauriert sind".
"Seht ihr!" Die Steine umweht ein Hauch von Ewigkeit. Und damit verweisen sie doch auf den Glauben an Gott, der allein
ewig ist und der dem Menschen die Ewigkeit schenkt. Auch im Tod. Das ist doch überwinden der weltlichen Bedingungen
- wenn ich den Wochenspruch richtig verstehe."
Epitaphien - der Glaube
Der Löwe nickt zustimmend. "Da sagst du etwas wahres Lukas. Aber ich würde das Ganze auch als ein Gleichnis sehen.
Nicht
allein für die Ewigkeit. Auch für den Glauben an sich.
Überleg mal! So ein Stein. Welchen Wettern hat der schon getrotzt? Welche Katastrophen hat der schon erlebt. Dann
kommt er hierher. Wird vorher bearbeitet. Steht da. Wird vom Salz angegriffen. Kommt in die Werkstatt. Kehrt wieder
zurück…"
"Aber Markus! Der Glaube kann sicher auch manchem Lebensunwetter trotzen. Er kann fest stehen, obwohl mancher ihn
aus den Angeln heben will. Und sicher wird er auch angegriffen. Aber das mit der Werkstatt. Das passt nicht ins Bild."
Der Engel wiegt das Haupt. "Na vielleicht doch. Sieh mal auch der Glaube sollte doch hin und wieder in die Werkstatt.
Seht mich nicht so an.
Denkt doch mal so: Der Glaube steht im Lebensalltag der Menschen. Dort hat er einen festen Platz. Sie können sich
daran festhalten. Aber er wird auch angegriffen. Das hat Lukas ja schon gesagt.
Und wo wird er dann gestärkt? Wenn ich ihn aus dem Alltag herausnehme und an ihm arbeite. Zum Beispiel im
Gottesdienst, über eine längere Zeit in einem Kloster, heim Bibellesen, Beten ... Ach es gibt so viele Möglichkeiten."
Epilog
Die anderem drei nicken. "Die Epitaphien als Sinnbilder. Das gefällt mir", sagt der Adler. “Sinnbilder für die Ewigkeit und
den Glauben.”
Mir fällt da noch etwas ein. Man kann die Epitaphien auch so verstehen, dass... "
"Pssst! Sei mal still! Hört ihr? Die Predigt. Ich glaube sie ist gleich aus.“ Amen
FA11-2020
Festpredigt